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Laß doch diese Kampfkunstscheiße

natürlichkeit ist nicht selbstverständlich

Ein Anfänger nimmt Haltungen ein. Später entfaltet sich sein Körper auf natürliche Weise. –   Funakoshi Gichin.

Viele glauben, sie müßten sich im Dôjô irgendwie "karatemäßig" verhalten.
Sie machen dann komische Dinge: Sie bewegen sich besonders ruckartig, brüllen und blicken wild um sich.

In vielen Dôjôs kann man bemerken, daß die Übenden ein besonders "karatemäßiges" Verhalten und ein entsprechendes Bewegungsmuster an den Tag legen. Das ist genau der Punkt, an dem dann jede Natürlichkeit verlorengeht. In dem Augenblick, in dem ein Karateka glaubt, sich "karatemäßig" verhalten zu müssen, ist er weder mental noch körperlich frei.

 

Eine solche "Verpflichtungshaltung" behindert die Praktizierenden natürlich in erster Linie dann, wenn sie sogenannte "Techniken" machen möchten, von denen sie sich vorstellen, daß sie wie auch immer "karatemäßig" ausfallen sollen. Denn genau das gibt es gar nicht: es gibt nichts "Karatemäßiges", nicht mal im Karate.... darin liegt ja gerade der Sinn der Konzeption von der "leeren" Hand. Ich nenne dieses Konzept im übrigen deshalb lieber "unvoreingenommene Hand(lungsweise)". - Und tatsächlich sollte es im richtigen Karate, wie es in der Karate Dô Nijûkun sinngemäß heißt, nur "natürliche Bewegungen" geben, ganz wörtlich spricht Funakoshi Gichin hier vom "natürlichen Körper", jap.: shizentai" - (Nijû-kun Nr. 17.)

 

Es gibt also gar nichts "Karatemäßiges", was man tun könnte, nicht mal dann, wenn man glaubt, ein Lehrer oder Prüfer oder Zuschauer würde jetzt etwas "Karatemäßiges" von einem erwarten. Das kann man im übrigen auch einem anderen der zwanzig Sätze der Karate-Dô Nijûkun entnehmen, dem Satz Nummer 10. Da heißt es:"Arayuru mono o karateka se soko ni myômi ari. - Verbinde dein alltägliches Leben mit Karate, darin liegt der Zauber der Kunst."

 

Was das Erwarten der "kampfkunstmäßigen" Verhaltensweisen betrifft, gibt es eine nette Anekdote, die den Aikidômeister Terry Dobson beim Unterrichten schildert. Ed Pinkus, ein amerikanischer Kampfkunstmeister und Weggefährte Dobsons, berichtet: " Wenn man mit ihm (Terry Dobson) übte und seinen Angriff mit erhobenen Händen erwartete, konnte es sein, daß er raunzte: "Laß doch diese Kampfkunstscheiße!" (Zit: Andreas F. Albrecht, in der Einführung zu 'Terry Dobson - Aikidô, Tanz des Lebens', S.19. Schlatt-books, 2007 mit weiteren Nachweisen).

Wenn man also Karate übt, solltet man von Technik zu Technik, von Aktion zu Aktion und eigentlich die ganze Zeit über gerade nichts Besonderes tun wollen. Das ist eine Sache im Kopf! Wem das gelingt, von dem fällt im Training viel Streß und Anspannung, Versagensangst und Selbstzweifel ab.

 

Und wenn man Karate tatsächlich mit seinem "alltäglichen Leben" verbindet, wenn man also in den alltäglichen Anforderungen weniger das tut, was man glaubt, daß es andere von einem erwarten oder daß etwas so oder so zu sein habe oder aussehen müsse, ist es da genauso. Man darf und sollte stattdessen das tun, was man aus der Situation heraus als natürlich und angemessen empfindet. Immer locker bleiben.... darin liegt der Zauber der Kunst, was das Karate betrifft; und darin liegt der Schlüssel zu einem entspannten Leben rund um die Uhr. Und das ist das Ziel des Karate, soweit es überhaupt eins gibt.